Page 15 - Wasserkraftbroschuere
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Turbinen
Geköpfter Aal 30 % pro Wasserkraftanlage erreichen von
1.000 abwandernden Blankaalen aus der
Foto: Mosel nach der Passage von zehn Anlagen nur
Dr. Jörg Schneider noch 28 lebend die Rheinmündung.
Völlig unberücksichtigt bleiben hierbei die
zweifellos auftretenden Verluste bei den
jährlichen Wanderungen der Gelbaale. Diese
ziehen während dieser bis zu 20 Jahre an-
dauernden Lebensphase im Süßwasser bis
in die Flussmündungen oder sogar ins Meer.
Das bedeutet, dass die Aale nicht nur einmal
Aus dem Rechengut während der Laichwanderung sondern mehr-
entfernte Aale fach den Gefahren bei der Turbinenpassage
mit tödlichen ausgesetzt sind.
Verletzungen Bei abwandernden Smolts (junge Lachse und
Meerforellen) gehen Fischbiologen von einer
Foto: Verlustrate von ca. 25 % bis 35 % pro Anlage
Dr. Jörg Schneider aus.
In der Turbine
getötete Smolts
Foto: Wie Forschungsergebnisse zeigen, beträgt der
Dr. Jörg Schneider Mittelwert für die Aalsterblichkeit bei Kaplan-
Turbinen in Europa 44,6 % und bei Francis- Summiert man die Verluste an den einzelnen
Turbinen 42,9 %. Wasserkraftanlagen im Verlaufe des Wander-
Bei manchen Anlagen kann die Verlustrate weges, wird schnell klar, dass sogar aus
nahezu bei 100 % liegen. Gewässern mit nur geringer Wasserkraftnut-
Zwischen den technischen Eigenschaften der zung kaum ein abwandernder Aal, Lachs-
Turbine und der resultierenden Aalmortali- oder Meerforellensmolt das Meer erreicht.
tät bestehen ausgeprägte Abhängigkeiten, Die Wiederansiedlungsprojekte von Lachs und
die im Rahmen eines Forschungsvorhabens Meerforelle drohen zu scheitern. Der Aal ist
analysiert wurden. Mit Hilfe der hierbei ent- im Begriff auszusterben. Da der Glasaalauf-
wickelten Modelle ist heute eine zuverlässige stieg seit Jahren rückläufig war, hat die EG im
Prognose der Aalmortalität in Abhängigkeit Jahr 2007 eine Verordnung zur Rettung der
von den technischen Turbineneigenschaften Aale erlassen.
möglich (Ebel, G. (2008): Turbinenbedingte Es müssen biologisch wirksame Schutz- und
Schädigung des Aals (Anguilla anguilla) – Bypasssysteme installiert werden, um den
Schädigungsraten an europäischen Wasser- Schädigungsumfang wandernder Tiere zu
kraftanlagenstandorten und Möglichkeiten der begrenzen (Ebel, G. (2013): Fischschutz und
Prognose). Derartige Modelle sind beispiels- Fischabstieg an Wasserkraftanlagen - Hand-
weise bei der Bilanzierung der Überlebens- buch Rechen- und Bypasssysteme, Mitteilun-
rate abwandernder Fische im betreffenden gen aus dem Büro für Gewässerökologie und
Gewässersystem sowie bei der Beurteilung Fischereibiologie Dr. Ebel, Band 4, Halle).
bestehender und neuer Wasserkraftanlagen Bemerkenswert ist, dass der Niederländische
von großer Bedeutung. Die weiblichen Aale Gerichtshof am 8. Februar 2012 mit dem
messen meist über 70 cm und sind dadurch Urteil 201109027/1/A4 wegen Überschreitung
stärker gefährdet als die kleineren Männchen. der maximal zulässigen Mortalität von 10 %
Der Verlust für die Population ist dadurch im Flussgebiet der Maas ein bereits geneh-
noch dramatischer. migtes Wasserkraftwerk gestoppt hat. Hier
Bei einer angenommenen Verlustrate von hat offensichtlich ein Umdenken eingesetzt.